Die verurteilte Mutter (unkenntlich gemacht) sitzt mit ihrem Anwalt im großen Saal des Rostocker Landgerichts. © NDR Foto: Juliane Mau
Die verurteilte Mutter (unkenntlich gemacht) sitzt mit ihrem Anwalt im großen Saal des Rostocker Landgerichts. © NDR Foto: Juliane Mau
Die verurteilte Mutter (unkenntlich gemacht) sitzt mit ihrem Anwalt im großen Saal des Rostocker Landgerichts. © NDR Foto: Juliane Mau
AUDIO: Verurteilte Güstrowerin: Gericht verhandelt neu über Strafmaß (1 Min)

Verurteilte Güstrowerin: "Schwer, als Mörderin des eigenen Kindes zu leben"

Stand: 14.05.2025 12:32 Uhr

Nach ihrer Verurteilung zu lebenslanger Haft wegen Mordes an ihrem Kind kann eine Frau aus Güstrow auf ein milderes Urteil hoffen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision zugelassen. Das Strafmaß wird jetzt neu verhandelt.

von Juliane Mau

"Ich habe die größte Schuld auf mich geladen, die man sich vorstellen kann." Diese Worte seiner Mandantin verliest Rechtsanwalt Ullrich Knye am Mittwochmorgen im großen Saal des Rostocker Landgerichts. In diesem Saal war seine Mandantin nach einem monatelangen Prozess vor 16 Monaten wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Frau ließ Kind verdursten

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau aus Güstrow ihren einjährigen Sohn im September 2021 verdursten ließ. Sie hatte die Nacht, in der ihr Kind starb, in der Wohnung ihres Freundes verbracht. In dem Wissen, dass das stark unterernährte Kind krank war, hatte sie es in einem Auto-Kindersitz festgeschnallt und gemeinsam mit dem etwas älteren Bruder im Kinderzimmer allein gelassen. Als sie am Morgen zurückkam, war das Kind tot.

Verurteilte Mutter lässt Erklärung verlesen

Auch wenn in dem neuen Verfahren in Rostock nun noch einmal um das Strafmaß verhandelt wird, am Tathergang besteht kein Zweifel und auch die Mutter stellt den Sachverhalt nicht infrage. Es sei schwer gewesen, sich das einzugestehen, lässt sie ihren Anwalt verlesen, aber sie habe eingesehen, dass sie allein die Verantwortung trage. "Es ist schwer, als Mörderin des eigenen Kindes zu leben", so die Worte der Mutter. In der sogenannten Einlassung, also ihrer Aussage vor Gericht, beschreibt sie, dass sie nach der Verurteilung unter Depressionen litt und Suizidgedanken hatte. Sie habe erst lernen müssen, damit zu leben, dass die Worte des Richters bei ihrer Verurteilung "die Darstellung der schonungslosen Wahrheit war". Das sei ihr mit psychologischer Hilfe gelungen.

Nun wolle sie ihre Aufmerksamkeit auf ihr zweites Kind richten. So habe sie dank Unterstützung des Jugendamtes auch an der Einschulung des Kindes teilnehmen dürfen und sie hoffe, dass das Gericht in dem neuen Verfahren zu einem neuen Urteil kommt, das ihr ein Leben gemeinsam mit ihrem Sohn ermöglicht.

Persönlichkeitsstörung wurde nicht berücksichtigt

Ihr Anwalt war gegen das Urteil aus dem vergangenen Jahr in Revision gegangen. Die Begründung: Das Gericht hätte bei der Festlegung des Strafmaßes einbeziehen müssen, dass die Angeklagte an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ leide. Der Bundesgerichtshof war ihm in dieser Einschätzung gefolgt. Am Mittwoch nun stellte Knye zwei Anträge. Zum einen möchte er, dass eine Gutachterin aus dem ersten Verfahren angehört wird. Die Psychologin hatte die Diagnose gestellt und der damals Angeklagten ein impulsives Verhalten attestiert.

Ständige Partnerwechsel als Symptom

Der Frau sei es zum Tatzeitpunkt wichtiger gewesen, ihre Partner zu wechseln und ständig neue Partnerschaften einzugehen, als sich um die Kinder zu sorgen. Hinzu kämen eine Neigung zu Depressionen und eine emotionale Instabilität. Dieses Verhalten der inzwischen verurteilten Mutter sei demnach Teil ihrer Persönlichkeitsstörung und müsse als Symptom gewürdigt werden.

Medien sollen "vorverurteilend" berichtet haben

In einem zweiten Antrag ging Anwalt Knye auf die Rolle der Medien ein. Diese hätten vorverurteilend berichtet und das habe sich nachteilig auf das Strafmaß ausgewirkt. Zudem habe das zu einer weiteren psychischen Belastung der damals Angeklagten geführt. Seine Mandantin sei nach dem Mord an ihrem Kind negativ dargestellt worden, "obwohl sie schon durch den Tod des Kindes beeinträchtigt war". Knye will, dass dazu auch die Haftanstaltspsychologin gehört wird.

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, beide Anträge abzuweisen. Wie das Gericht dazu entscheidet, ist noch offen. Es sind weitere Verhandlungstage angesetzt. Wann es zur neuen Festsetzung des Strafmaßes kommt, ist ebenfalls noch unklar.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 14.05.2025 | 15:00 Uhr

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Landkreis Rostock

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